Leichtbau als Innovationstreiber für nachhaltiges Wirtschaften: Forschungsprojekt BIKINI gestartet
Den Klimawandel eindämmen und gleichzeitig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigern – für viele Unternehmen ist das aktuell eine der größten Herausforderungen. Der Leichtbau gilt insbesondere im Mobilitätssektor als Schlüsseltechnologie, um dieses Ziel zu erreichen. Dank der besonderen Konstruktionsweise, bei der das Produktgewicht so gering wie möglich gehalten wird, können nicht nur Materialkosten, sondern auch CO2-Emissionen während des Betriebs der Fahrzeuge eingespart werden. Emissionsintensive Herstellungs- und Recyclingverfahren werden hierbei jedoch häufig ausgeblendet. Im Verbund-Projekt „Bionik und KI für nachhaltige Integration von Produktentwicklung für einen ressourceneffizienten Leichtbau“ (BIKINI) arbeiten Wissenschaftler der Universität Paderborn mit Partnern aus Forschung und Praxis an einer Lösung, um Nachhaltigkeit entlang der vollständigen Prozesskette sowie über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts zu ermöglichen. Dem Konsortium gehören neben dem Paderborner Lehrstuhl für Produktentstehung die Unternehmen EDAG Group, Additive Marking GmbH, Atos Deutschland, Krause DiMaTec GmbH und RHaug GmbH sowie das Alfred-Wegener-Institut an. Im September fand der Kick-Off des Projekts mit einer Laufzeit von drei Jahren statt. Gefördert wird das BIKINI-Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und hat ein Projektvolumen von knapp vier Millionen Euro.
Mit künstlicher Intelligenz und Bionik zu effizienteren Entwicklungsprozessen
„Bewertungskriterien wie Kosten und Leistung werden bei der Entwicklung von Leichtbauprodukten aktuell schon berücksichtigt. Wir wollen diesen Katalog nun um Nachhaltigkeitsaspekte wie den CO2-Fußabdruck, den Ressourceneinsatz im Herstellungsprozess und die Recyclingfähigkeit der eingesetzten Materialien erweitern“, erklärt Daniel Preuß, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Produktentstehung des Heinz Nixdorf Instituts unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Iris Gräßler. Um diese Aspekte bereits bei der Planung und Konstruktion von einzelnen Bauteilen oder komplexen Baustrukturen berücksichtigen zu können, müssen neue Entwicklungskonzepte erarbeitet werden. Bereits etablierte Verfahren wie die computerunterstützte Erstellung von Entwürfen und technischen Zeichnungen (CAD-Konstruktion) werden deshalb um zusätzliche Elemente ergänzt. Bionik – eine Wissenschaft, bei der Prinzipien und Phänomene aus der belebten Natur zum Vorbild für technische Entwicklungen werden – und künstliche Intelligenz (KI) dienen dabei als Basis für neuartige Algorithmen und Assistenzdienste. „Hier freuen wir uns besonders auf die Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut mit langjährigen Erfahrungen im Bereich „Bionischer Leichtbau“ ergänzt Manuel Ott, wissenschaftlicher Mitarbeiter im C.I.K. (Computeranwendung und Integration in Konstruktion und Planung, Leitung Prof. Dr.-Ing. Rainer Koch). Auf dieser Grundlage soll ein teilautomatisierter Entwurfsprozess entwickelt werden, der eine schnelle Anpassung und Optimierung von Produktentwürfen ermöglicht, ohne eine umfangreiche Neuentwicklung durchführen zu müssen. Das hätte nicht nur eine Zeitersparnis, sondern auch eine erhöhte Nachhaltigkeit zur Folge. Fertigungsverfahren oder Materialien, die beispielsweise nur in der Einführungsphase eines Produkts aus klimaorientierter und wirtschaftlicher Sicht sinnvoll sind, können so in späteren Lebensphasen schnell und unkompliziert ausgetauscht werden.
Innovatives Konsortium mit unterschiedlichen Kompetenzen
„Die intensive Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft führt dank verschiedener Kompetenzen im Bereich KI und Bionik zu ganz neuen Lösungsansätzen. Diese sind notwendig, damit soziale und ökologische Nachhaltigkeit nicht zu Lasten der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit führt, sondern diese sogar bestärkt.“, so der Projektleiter Sebastian Flügel von der EDAG Group. Das Team der Universität Paderborn um die Wissenschaftlerin Gräßler ist beispielsweise gemeinsam mit der Krause DiMaTec GmbH für die Entwicklung von Kriterien verantwortlich, die bei der Bewertung und Abwägung widersprüchlicher Anforderungen aus wirtschaftlicher und nachhaltiger Perspektive helfen sollen. Die Ergebnisse werden anhand von historischen Daten der Industriepartner, Expertenworkshops und Interviews validiert, um sie schließlich in Algorithmen umzusetzen. Durch die dann automatisierte Erhebung und Überprüfung der Anforderungen sowie der Nachhaltigkeit von einem Produkt, kann in der Entwicklung eine stetige Ergebnisoptimierung erzielt werden können.
„Mit dem Projekt streben wir einen maßgeblichen Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeits- und Klimaziele an, ohne dabei unwirtschaftliche Restriktionen anwenden zu müssen. So kann eine regionale, hochqualitative und zeitnahe Fertigung auch in Branchen, die bislang vorrangig in Billiglohnländern produzieren, wirtschaftlich ermöglicht werden“, resümiert Prof. Iris Gräßler.